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Kurzsichtiges Sparen. Der Bund verschärft die Lage der Langzeitarbeitslosen

Kurzsichtiges Sparen. Der Bund verschärft die Lage der Langzeitarbeitslosen (Wilhelm Adamy, Die ZEIT)

Vom Arbeitsmarkt kommen in diesen Tagen viele scheinbar gute Nachrichten: Die Zahl der Erwerbslosen ist deutlich niedriger als noch zur Jahreswende erwartet. Der schlimmste Teil der Wirtschaftskrise scheint dank Kurzarbeit und flexibler Arbeitszeitmodelle gut überstanden. Haben die Hartz-Reformen – wie so häufig behauptet – das avisierte Ziel erreicht, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen? Funktioniert die Arbeitsmarktpolitik also insgesamt ganz gut?

Im freundlichen Bild fehlt ein wesentlicher Punkt: Für Langzeitarbeitslose hat sich die Situation zuletzt nicht verbessert, sondern verschlechtert. Im Jahr 2009 sank die Zahl derer, die von der Langzeitarbeitslosigkeit in reguläre Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt wechselten, erstmals wieder unter das Niveau vor der Einführung von Hartz IV. Weder die gute Konjunktur der vergangenen Jahre noch die Hartz-Reformen haben die Beschäftigungschancen von Langzeitarbeitslosen nachhaltig verbessern können.

Ohnehin sind die Aussichten, einen sozialversicherungspflichtigen Job zu finden, geringer als in den meisten anderen Industrieländern. Das Sparpaket der Bundesregierung wird diese Chancen aller Voraussicht nach noch weiter verringern.

2009 gab es im Schnitt 933.000 Langzeitarbeitslose. Gegenläufig zur Entwicklung der Erwerbslosen insgesamt wurden im Juni 2010 etwa 27.000 mehr Langzeitarbeitslose gezählt als noch ein Jahr zuvor. Ihr Anteil an den Arbeitslosen erhöhte sich um zwei Prozentpunkte auf gut 30 Prozent.

Die betrieblichen Auswahlprozesse bei Einstellungen wie Entlassungen verschärfen sich und führen zu einer ungleichen Verteilung der Beschäftigungs-chancen und -risiken. Wer in der Leistungskonkurrenz unterliegt, wird schnell zum Langzeitarbeitslosen. Längerfristige Arbeitslosigkeit selbst wiederum wirkt als zusätzliches Risiko – sie kann wie Haft wirken, isolieren, entmutigen und demoralisieren. 45 Prozent der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger haben nach eigener Einschätzung bereits gesundheitliche Einschränkungen. Dieser Anteil ist nahezu doppelt so hoch wie bei der gleichaltrigen Bevölkerung insgesamt.

Im Krisenjahr 2009 konnten im Schnitt pro Monat nur knapp drei Prozent der Langzeitarbeitslosen eine Beschäftigung auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt finden. Das ist umso bedenklicher, als die amtliche Statistik ohnehin nur einen Teil der sich verfestigenden Arbeitslosigkeit zeigt. Auch wer beispielsweise Langzeitarbeitslosigkeit durch längere Erkrankung unterbricht, zählt anschließend statistisch nicht mehr als langzeitarbeitslos, sondern als Neuzugang.

2009 waren 45,5 Prozent der Erwerbslosen zwischen 15 und 64 Jahren in Deutschland länger als ein Jahr ohne Arbeit. Dies sind immerhin zehn Prozentpunkte mehr als im Schnitt der 16 Länder der Euro-Zone. Gemessen an diesen Kriterien, liegt der Anteil der Langzeitarbeitslosen bei uns immer noch leicht über dem Niveau von 1994, das bei 44,3 Prozent lag.

Trotz aller Schwierigkeiten können Langzeitarbeitslose einen Job finden, wenn Wiedereingliederungshilfen zur Verfügung stehen. Erfolgreich ist dies insbesondere dann, wenn diese Hilfen frühzeitig einsetzen, individuell auf die Situation der Betroffenen ausgerichtet sind, mit sozialen und arbeitsmarktpolitischen Hilfen verknüpft werden und längerfristige Perspektiven eröffnen. Je länger Arbeitslosigkeit dauert, desto schwieriger und teurer wird die Wiedereingliederung.

Eine Arbeitsmarktpolitik nach dem Motto »schnell und billig« schafft weder zusätzliche Beschäftigung noch nachhaltige Integration. Doch kurzfristige Trainingsmaßnahmen und Ein-Euro-Jobs sind die wichtigsten Fördermaßnahmen für Hartz-IV-Empfänger. So üben im Schnitt knapp 300.000 Menschen Ein-Euro Jobs aus, bei denen ergänzend zum Existenzminimum eine geringe »Mehraufwandsentschädigung« gezahlt wird. Da diese Maßnahmen meist nicht länger als sechs Monate dauern, durchlaufen innerhalb eines Jahres mehr als doppelt so viele Menschen diese Tätigkeiten.

Diese scheinbar billigen, nicht sozialversicherungspflichtigen Jobs haben im Hartz-IV-System eine weit größere Bedeutung als Qualifizierungsmaßnahmen. So sind im Schnitt dreimal mehr Langzeitarbeitslose in Arbeitsgelegenheiten als in Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung. Dabei ist Weiterbildung bei Langzeitarbeitslosen besonders dringlich. Bundesweit hat immerhin jeder zweite Langzeitarbeitslose keinen Berufsabschluss.

Dem vom Gesetz geforderten Nachrang der Ein-Euro-Jobs wird bisher in der Praxis nicht Rechnung getragen. Die Bedeutung dieser Arbeitsgelegenheiten zeigt sich auch darin, dass acht- bis neunmal mehr Arbeitslose in Ein-Euro-Jobs eintreten als in sozialversicherte Jobs auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Dabei sind die Eingliederungschancen bei Ein-Euro-Jobs schlechter als bei jedem anderen Förderinstrument.

Gestrichen wurde dafür bei sozialversicherter, öffentlich geförderter Beschäftigung. Zwar hat die Bundesregierung jetzt ein Projekt »Bürgerarbeit« aufgelegt. Doch damit können die bereits eingeschränkten oder ganz gestrichenen Maßnahmen keinesfalls kompensiert werden. So wurde der erst 2007 gezielt für besonders gehandicapte Hartz-IV-Empfänger geschaffene Beschäftigungszuschuss finanziell »gedeckelt«. Die Eintritte liegen seit Jahresanfang um zwei Drittel unter dem Vorjahresniveau.

Die von der Bundesregierung beschlossene neue Sparliste sieht für den Arbeitsmarkt weitergehende Einschnitte von allein 4,4 Milliarden Euro für 2011 vor; bis 2014 soll sich diese Summe auf 10,4 Milliarden Euro erhöhen. In der Arbeitsförderung sollen allein im kommenden Jahr zwei Milliarden Euro gekürzt werden. Fördern wird dann noch kleiner und Fordern größer geschrieben.

Langzeitarbeitslosigkeit kann noch weniger verhindert und bereits eingetretene Langzeitarbeitslosigkeit noch weniger bekämpft werden. Sollten diese Pläne umgesetzt werden, ist auch die Stabilisierung der Konjunktur gefährdet. Langzeitarbeitslosigkeit und Armut würden in Deutschland weiter zunehmen. Das wären gesellschaftliche Veränderungen, die womöglich schwerer wögen als alle kurzfristig erzielten Einspareffekte.

Der Autor: Wilhelm Adamy leitet beim DGB-Bundesvorstand die Abteilung für Arbeitsmarktpolitik. Außerdem ist er Mitglied des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.

Quelle: http://www.zeit.de/2010/31/Arbeitsmarkt-Langzeitarbeitslose

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Deutschland schadet Europa. Die Berliner Regierung will einen harten Euro – und ruiniert so andere EU-Länder (George Soros, Die ZEIT)

Falsche Vorstellungen spielen eine große Rolle dabei, die Geschichte zu formen, und die Euro-Krise ist dafür ein typisches Beispiel. Dass der Euro ein offensichtlich fehlerhaftes Konstrukt ist, war seinen Architekten zum Zeitpunkt seiner Erschaffung bewusst. Doch sie gingen davon aus, dass seine Mängel in dem Maße, wie sie akut werden würden, korrigiert werden könnten. Der größte Mangel, das Fehlen einer gemeinsamen Fiskalpolitik, ist weithin bekannt. Ein weiterer struktureller Fehler ist, dass nur die Gefahr der Inflation bedacht und die Möglichkeit einer Deflation ignoriert wurde.

Doch der gravierendste Mangel im Design des Euro ist: Es ist nicht auf Fehler eingestellt. Es setzt voraus, dass die Mitgliedsstaaten sich an die Maastricht-Kriterien halten – die vorgeben, dass das Haushaltsdefizit drei Prozent und die Staatsverschuldung insgesamt 60 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten darf –, ohne einen angemessenen Mechanismus zu ihrer Durchsetzung festzulegen. Und jetzt, da mehrere Länder meilenweit von den Maastricht-Kriterien entfernt sind, gibt es weder einen Anpassungs- noch einen Ausstiegsmechanismus. Von diesen Ländern wird nun erwartet, dass sie zu den Maastricht-Kriterien zurückkehren, selbst wenn ein solcher Schritt eine Deflationsspirale in Gang setzen würde. Dies steht im direkten Widerspruch zu den Lehren aus der Großen Depression der 1930er Jahre und dürfte Europa mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Phase anhaltender Stagnation drücken – wenn nicht Schlimmeres. Dies wiederum wird zu Unzufriedenheit und sozialen Unruhen führen. Es ist schwer vorherzusagen, wie diese Wut und Frustration zum Ausdruck kommen werden. Schlimmstenfalls könnten diese politischen Trends die Demokratie gefährden und die Europäische Union lähmen oder gar untergraben.

Falls es hierzu kommt, trägt Deutschland einen Großteil der Verantwortung dafür, denn als stärkstes und kreditwürdigstes Land bestimmt es, wo es langgeht. Indem es auf einer prozyklischen Politik beharrt, bringt Deutschland die EU in Gefahr. Ich bin mir bewusst, dass dies ein schwerwiegender Vorwurf ist, doch ich fürchte, er ist berechtigt.

Sicher, man kann Deutschland nicht vorwerfen, dass es eine starke Währung und einen ausgeglichenen Haushalt will. Aber man kann ihm vorwerfen, dass es seine Vorliebe anderen Ländern mit anderen Bedürfnissen und Vorlieben aufzwingt – wie Prokrustes, der andere Leute zwang, in seinem Bett zu liegen, und sie in die Länge zog oder ihnen die Beine abschnitt, um sie passend zu machen. Das Prokrustesbett, das derzeit der Euro-Zone aufgezwungen wird, heißt Deflation.

Leider ist sich Deutschland nicht bewusst, was es da macht. Alles, was es tun möchte, ist, seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und nicht länger der Zahlmeister für das restliche Europa zu sein. Doch als stärkstes Land mit der höchsten Kreditwürdigkeit hat es das Sagen. Infolgedessen bestimmt Deutschland objektiv die Finanzpolitik und die makroökonomische Politik der Euro-Zone. Wenn alle Mitglieder versuchen, wie Deutschland zu sein, schicken sie damit die Euro-Zone zwangsläufig in eine Deflationsspirale. Dies sind die Auswirkungen der von Deutschland verfolgten Politik, und da Deutschland das Sagen hat, ist es die der Euro-Zone aufgezwungene Politik.

Man kann sich den deutschen Denkfehler am besten vor Augen führen, wenn man ein kleines Gedankenexperiment anstellt. Was würde geschehen, wenn Deutschland die Euro-Zone verließe? Die dann wieder eingeführte Mark würde die Schallmauer durchbrechen, und der Euro würde ins Bodenlose fallen. Dies würde dem Anpassungsprozess der anderen Länder in der Tat helfen, aber Deutschland würde feststellen, wie schmerzhaft es sein kann, eine überbewertete Währung zu haben. Seine Handelsbilanz würde ins Negative drehen, und es gäbe weitverbreitete Arbeitslosigkeit. Die deutschen Banken würden schwere Wechselkursverluste erleiden und große Kapitalspritzen durch die öffentliche Hand benötigen. Aber die Regierung würde es politisch akzeptabler finden, deutsche Banken zu retten als Griechenland oder Spanien. Und es gäbe noch andere Kompensationen: Deutsche Rentner könnten sich in Spanien zur Ruhe setzen und dort wie die Könige leben – und so dem spanischen Immobilienmarkt zu einer Erholung verhelfen.

Ich möchte betonen, dass dies ein absolut hypothetisches Szenario ist. Der Zweck dieses Gedankenexperiments besteht darin, Deutschland zu überzeugen, sein Verhalten zu ändern, ohne die tatsächlichen Erfahrungen, die seine gegenwärtige Politik birgt, zu durchlaufen.

Was wäre die richtige Politik für Deutschland? Es kann von Deutschland nicht erwartet werden, dass es die Defizite anderer Länder unbegrenzt garantiert. Daher ist eine straffere Fiskalpolitik unvermeidlich. Aber man muss einen Weg finden, der es den Krisenländern erlaubt, ihre Schwierigkeiten durch Wachstum zu überwinden. Die betroffenen Länder müssen den größten Teil der Lasten tragen, indem sie Strukturreformen einleiten, doch sie brauchen Hilfe von außen, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Volkswirtschaften zu stimulieren. Durch Senkung seines Haushaltsdefizits und Widerstand gegen Lohnerhöhungen, die den Rückgang der Kaufkraft des Euro ausgleichen, erschwert Deutschland es anderen Ländern tatsächlich, ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen.

Was also sollte Deutschland tun? Es muss drei Leitprinzipien anerkennen.

Erstens ist die aktuelle Krise eher eine Bankenkrise als eine Fiskalkrise. Im kontinentaleuropäischen Bankensystem wurde nach dem Crash von 2008 nie richtig aufgeräumt. Klar ist, dass die Banken stark überschuldet sind und zwangsweise rekapitalisiert werden müssen. Dies sollte die erste Aufgabe des neu gegründeten Europäischen Stabilitätsfonds sein und wird viel dazu beitragen, reinen Tisch zu machen. Es könnte sich beispielsweise zeigen, dass in Spanien überhaupt keine Fiskalkrise vorliegt. Deutschlands Rolle könnte ebenfalls in einem deutlich anderen Licht erscheinen, falls es im Rahmen der Rekapitalisierung seiner Landesbanken ein stärkerer Nutzer als Einzahler des Fonds werden sollte.

Zweitens muss eine Straffung der Fiskalpolitik durch eine Lockerung der Geldpolitik ausgeglichen werden. Insbesondere sollte die EZB spanische Staatsanleihen kaufen. Dies würde es Spanien ermöglichen, seine Ziele zur Haushaltsreduzierung auf weniger schmerzhafte Weise umzusetzen, was jedoch ohne einen Sinneswandel in Deutschland nicht möglich ist.

Und drittens ist nun der Zeitpunkt gekommen, bisher unproduktiv genutzte Ressourcen für Investitionen in Bildung und Infrastruktur einzusetzen. So braucht Europa beispielsweise ein besseres Erdgasröhrensystem, und die Verbindung zwischen Spanien und Frankreich ist einer der Engpässe dabei. Die Europäische Investitionsbank sollte in der Lage sein, noch andere Investitionsmöglichkeiten zu finden, etwa die Ausweitung der Breitbandabdeckung oder die Entwicklung eines intelligenten Stromnetzes.

Es ist unmöglich, im Moment konkreter zu sein, doch es gibt Grund für Optimismus. Wenn die Solvenzlage der Banken geklärt ist und sie ordnungsgemäß rekapitalisiert sind, sollte es möglich sein, eine Wachstumsstrategie für Europa zu entwickeln. Und wenn die europäische Wirtschaft ihr Gleichgewicht wiederhergestellt hat, dürfte der Zeitpunkt gekommen sein, um die strukturellen Mängel des Euro zu korrigieren.

Der Artikel basiert auf einem Vortrag, den der Autor an der Humboldt-Universität in Berlin gehalten hat

Der Autor: Der amerikanischer Investor George Soros wurde 1992 durch Spekulationen gegen das britische Pfund bekannt. Er unterstützt zahlreiche gesellschaftliche Projekte.

Quelle: http://www.zeit.de/2010/31/P-oped-Soros?page=1


 
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